Italiens beliebtes dreirädriges Transportfahrzeug, die Ape, wird in Europa nach mehr als 76 Jahren nicht mehr produziert. Geboren aus der Not der Nachkriegszeit, entwickelte sich das Vespacar zu einem Symbol für italienische Lebensart und praktische Mobilität. Im Jahr 2024 ging ihre Ära zu Ende.
Eine weitere Ikone aus dem Stall von Piaggio
Warum eine weitere Ikone? Ikonen können doch nicht geplant werden. Schließlich ist es der Mensch, der etwas zu einer Ikone macht. Die Ape ist knapp 2 Jahre nach der ersten Vespa auf dem zunächst italienischen Markt erschienen. Die Motive waren dieselben wie bei der Konstruktion des Vespa-Rollers: Im gebeutelten Nachkriegs-Italien gab es weder intakte Straßen noch günstige Transportmittel. Fahrgeräte mussten her, die sowohl preiswert in der Anschaffung als auch im Unterhalt waren. Sie sollten stabil und robust sein, leicht zu fahren, gut zu reparieren, mit erschwinglichem Kaufpreis. Wir alle wissen, was aus diesen Überlegungen geworden ist.

Zunächst entstand unsere Vespa, um Personen von A nach B zu bringen. Darauf basierend wurde die Ape auf dem Reißbrett in den Produktionsstätten von Pontedera entworfen. Es ist nicht sonderlich schwer nachzuvollziehen, dass als Erstes eine Transportkarre entstand, die nichts anderes war als ein Vespa-Roller mit Ladefläche. Zum Schutz von FahrerIn und Ladung wurde viel Blech drumherum verbaut. Zur besseren Stabilität kamen drei Räder zum Einsatz. Auf Komfort wurde weitgehend verzichtet. Keine Heizung, keine Klimaanlage, kein verstellbarer Fahrersitz, kein Radio, spartanisches Interieur, überschaubare Leistung: Ein Zweitakter mit 50 cm³ Hubraum, maximale Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h.
Was heißt eigentlich Ape?
Ape ist Italienisch und bedeutet Biene, während Vespa Wespe heißt. So ist die Firma Piaggio ihrer Linie treu geblieben in der Benennung ihrer Fahrzeuge. Wespe und Biene. Das sind beides nützliche Insekten, so auch die motorisierten Kleintransporter. Die Ape ist das Lieblings-Transportmittel zumindest der Italiener. Böse Zungen behaupten, dass nur wenige Berufsgruppen mit dem Minilaster Ape etwas anfangen können. Das sind italienische Pizzabäcker, Gemüse- und Getränkelieferanten, Weinbauern, Friedhofsgärtner und trinkfreudige Zeitgenossen. Pizzabäcker sowie Getränkelieferanten, weil sie die engsten Gassen befahren müssen, Weinbauern, weil die Abstände zwischen den Weinstöcken sehr eng sind, und last but not least Hobbytrinker, weil diese keinen PKW-Führerschein mehr haben. Für alle, die noch mehr über die faszinierende Geschichte der Ape erfahren möchten, bietet sich das Handbuch APE PIAGGIO 70 anni / 70 years von Giorgio Sarti als umfassende Quelle an.
Kultiger Fahrspaß mit dem Lastenmoped
Reden wir hier tatsächlich von Spaß? Jawoll, das tun wir. Bei keinem anderen fahrbaren Untersatz ist die Straße so nahe wie auf der Ape. Es ist fast ein wenig wie das Fahren mit einem Trabi aus der früheren DDR. Wer sich traut, auf Kopfsteinpflaster zu fahren, der ist schon sehr mutig. Jeder Gangwechsel ist wie ein kräftiger Tritt ins Steißbein. Trotz geringer Geschwindigkeit des Kabinenrollers fühlt es sich an, als würde ein mächtig hohes Tempo gefahren. Es fühlt sich ein wenig wie ein Höllenritt an. Vor allem im Stadtverkehr benötigt der/die Ape-PilotIn ein hohes Maß an Konzentration und Koordinationstalent.
Anfangs stehen den FahrerInnen die Schweißperlen auf der Stirn. Müssen sie doch mit allerlei Ungemach kämpfen: Das Getriebe ist zickig, die Fußbremse ist faul und sehr bequem, sie will sich weigern, ihren Dienst zu verrichten. Zudem werden FahrerInnen durchgeschüttelt und -schaukelt mangels Federung. Wie ein Spielball geht es in der Fahrerkabine hin und her, auf und ab. Doch recht schnell stellt sich ein Gewöhnungseffekt ein, der besagten Spaß hervorlugen lässt.
Anleitung zum Einlegen des Rückwärtsgangs
Ja, die Ape hat einen Rückwärtsgang. Er ragt als nackter, schwarzer Metallstab aus dem Gehäuseboden heraus. Mit der rechten Hand wird das Metallgestänge umfasst, möglichst fest (die linke Hand ist anderweitig mit der Kupplung beschäftigt). Sodann werden die Beine fest auf den Kabinenboden gestemmt. Danach heißt es: Den Oberkörper zurückwerfen, unter gleichzeitigem Ziehen des Metallgestänges. Dann gibt es ein hässliches Krachen – sozusagen ein Gruß vom nicht-synchronisierten Getriebe – der Rückwärtsgang ist drin.
Die Ape wird vom europäischen Markt verschwinden
Das ist eigentlich sehr schade. Aber die Ape kann die strengen Umweltvorschriften in Europa nicht mehr erfüllen. Vor allem sehr bedauerlich für die italienischen Jugendlichen. Die dürfen dieses 50 cm³ Gerät bereits mit 14 Jahren fahren. Jeder kann sich vorstellen, wie verlockend das für die Jugend war.
Vor allem das Thema Tuning war hinsichtlich der Ape angesagt
Oft wurde der lahme, serienmäßige Motor ersetzt durch frisierte Motoren, die komplett eingesetzt werden. Das können Motoren mit 103 cm³ oder 133 cm³ sein, die zwecks gesteigerter Motorkraft ausgetauscht werden. Unterstützung finden sie durch die in Italien bekannten Tuningbetriebe Polini und Malossi. Diese Firmen bieten komplette Umrüstbausätze an. Auch der SIP Scootershop bietet Ersatz- und Tuningteile für das dreirädrige Transportfahrzeug.
Es ist leicht nachvollziehbar, dass in unwegsamen Bergregionen die Jugend eine Art Wettrüsten veranstaltet. Also etwa eine mit Spoilern, Sportauspuff und ähnlichen Tuningteilen aufgemotzte Ape trug durchaus zu einem guten Image innerhalb der Jugendgruppen bei. Eine akzeptable Bodenfreiheit, zusammen mit recht kurzen Karosserie-Überhängen, können es ermöglichen, dass die Ape steile, ausgewaschene Schotterstraßen in den Apenninen fast mühelos bewältigt. Da sind Fahrwege vorzufinden, die von keinem PKW bezwungen werden können.
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